Kinder, Frauen und Männer, die tagelang auf der Flucht waren und trotz allem mit uns scherzten als Gabi, Kathrin, Jessy und ich bei der Hygienewarenausgabe Einwegrasierer, Duschgels, Shampoos, Windeln und Babynahrung ausgaben. Wir waren zu Beginn auch die einzige Stelle, an der Tee ausgeschenkt werden konnte – mit zwei (äußerst langsamen!) Wasserkochern aber nur einer Steckdose. Verteiler? Ja, aber dann hätten wir das Stromnetz lahmgelegt, man übe sich also in Geduld…. Letztere war übrigens bewundernswert, nach Strapazen, die unsereins gar nicht nachvollziehen kann, ohne größere Tumulte höflich und diszipliniert in der Reihe für Essen oder andere Dinge anzustehen – ich ziehe meinen imaginären Hut!
Dankbarkeit der Menschen, dass ihnen vor dem WC-Container jemand Desinfektionsmittel über die Hände leert – ein Fulltime-Tagesjob für unseren Obmann Marco, der banal klingt, und doch ist dieser Hygieneakt so wichtig für sie! Aus Dankbarkeit schenkte ein Syrer Marco eine Münze aus seinem Heimatland mit den Worten: „Thank you for everything, here you have Syrian money – I don’t need it anymore, I can never go back.“
Familienzusammenführung dank unseres Freundes Elias, der Arabisch kann. Familienmitglieder waren getrennt in Züge verfrachtet worden, ihre Handyakkus waren bei Ankunft in Wien leer, sie konnten sich nicht verständigen, wussten nicht, ob sie denn alle am selben Bahnhof angekommen waren. Elias sprach mit dem einen Teil von ihnen, lieh sein Handy aus und konnte die Familie auf diese Weise wieder vereinen.
Ein kleines Mädchen, das unter den Massen an Erwachsenen beinahe erdrückt wurde und dennoch keinen Mucks von sich gab – derartige Situationen offensichtlich bereits von den letzten Wochen gewöhnt. Ich musste ihr einfach über den Kopf streichen, auch wenn sie die Erwachsenen „da oben“ und die Person, die sie trösten wollte von ihrer Warte aus gar nicht sehen konnte…
Eine junge Frau, die verzweifelt ihr Handy suchte, um mit ihrer Familie in Kontakt zu treten – wie sich herausstellte, hatte sie saubere Kleidung von der Gewandausgabe erhalten und die eigene alte in der Hektik inklusive Handy entsorgt…
Tränen zurückhalten bei Regina und Hans bei der Schuh-Ausgabe – ganze Familien, die ohne Schuhwerk am Bahnhof angekommen waren, Emotion pur.
Nici und Vlado halfen gemeinsam mit ihrem achtjährigen Sohn bei der Essensausgabe mit, schälten Eier, schnitten Gemüse, stundenlang – nachdem sie Buggy, Kleidung und Spielsachen bei den entsprechenden Stellen abgegeben hatten und ihr Sohn Lucas sich richtig gefreut hatte, dass sein altes Spielzeug solch strahlende Gesichter bei den Kindern hervor rief!
Auch Alexandra, Tony, Ben-E, Philipp, Richie und Nina schnipselten und verteilten Essen was das Zeug hielt und ohne Pause – die Semmeln, die ich ihnen mittags vorbei gebracht hatte, steckten eine Stunde später immer noch in ihren Jackentaschen, denn die Menschen vor ihnen hatten schließlich noch größeren Hunger…
Es hatte also zweifelsfrei Sinn gemacht, sich in der Gruppe bereits kurz vor 6 Uhr früh am Wiener Hauptbahnhof zu treffen und gemeinsam mit Train of Hope anderen Menschen helfen zu wollen.
Schon Wochen zuvor hatten wir angekündigt, dass unser Verein Schlafen-Verboten einen weiteren Sozialtag zur Unterstützung Asyl suchender Menschen veranstalten möchte.
Die Planung musste der Natur der Sache entsprechend recht spontan verlaufen, da sich Bedarf an HelferInnen sowie an unterschiedlichen Sachspenden nahezu stündlich änderte und auch örtlich verlagerte.
Gleichzeit freuten wir uns darüber, dass sich trotz der erst kurzfristig verfügbaren Infos viele unserer Freunde und Mitglieder bereit erklärt hatten, an diesem 26. September auf jeden Fall („egal wo und egal wie!“) zu helfen und Teil der Aktion zu sein!
Einige von uns waren seit 6 Uhr in der Früh da, andere kamen später nach – jegliche Hilfe war zu jederzeit sinnvoll, speziell ab 8 Uhr riss der Strom neu angereister Flüchtlinge bis zum Ende des Tages gar nicht mehr ab.
Bianca vom Orga-Team „Train of Hope“ informierte uns, wo unsere Hilfe zum jeweiligen Zeitpunkt an nötigsten gebraucht war. So teilten wir uns unter anderem auf die Bereiche Hygieneartikel-, Essens-, Schuh- und Kleidungsausgabe auf. Im hintersten Teil des Bahnhofs gab es einen
Spielbereich für Kinder (unweigerlich musste ich an den Film „Das Leben ist schön“ denken…), und vor dem Bahnhofsgelände standen Zelte, in welchen sämtliche Sachspenden geordnet und diverse Hilfstätigkeiten organisiert wurden. Wir lösten eine Schülerin ab, die seit 21:00 des Vorabends Hygieneartikel verteilt hatte („jetzt gehe ich dann von hier aus in die Schule“) sowie einen jungen Mann, der seit Mitternacht dabei gewesen war.
Tipp an dieser Stelle: man kommt als HelferIn kaum zum Durchschnaufen, Trinken, geschweige denn Essen – trotzdem sollte man auf einander und sich selbst gut schauen und zumindest Müsliriegel oder Wasser mit dabei haben, denn auf diese Weise kann man für sich selbst sorgen und gesünder, effektiver und länger helfen.
Ständig gebraucht wird unserer Erfahrung nach:
Dies waren nur ein paar meiner persönlichen Eindrücke und ein paar Geschichten, die ich während des Tages von Freunden aufgeschnappt hatte – allein von den Helferleins unseres Vereins und Freundeskreises gab es 13 weitere Blickwinkel auf diesen Tag und unzählige erwähnenswerte Momente!
Die Zeit flog nur so dahin, jeder blieb so lange er Zeit hatte – manche bis zu 12 Stunden… denn wenn man am eigenen Leib erfährt, wie dringend notwendig und sinnvoll das Mit-Tun ist, kann man sich dem nicht entziehen und bleibt… und kommt wieder! Wie auch wir wieder kommen und helfen werden! Weil es ein kleiner und der einzige Beitrag ist, den wir derzeit leisten können.
Wir bekamen auch Komplimente für diesen Einsatz – diese anzunehmen fällt jedoch schwer. Wir tun, was wir für richtig und notwendig erachten, zu besseren Menschen macht uns das unserer Meinung nach in keinster Weise und das ist auch nicht unsere Ambition oder der Sinn hinter solchen Aktionen. Im Mensch-Sein liegt der Sinn – und menschlich, wertschätzend und würdevoll miteinander umzugehen macht Sinn!
Wir sind froh, dabei gewesen zu sein - und werden uns auch weiterhin engagieren. Bilder der Eindrücke gibt's auf unserem Facebook-Album.
DANKE an alle, die diesen Tag zu einem sinnvollen und persönlich bereichernden für alle Beteiligten gemacht haben!
Nicole Fischer, Soziale Verantwortung | Schlafen-Verboten, Miteinander Leben – Miteinander Feiern – Miteinander Sporteln | www.schlafen-verboten.com